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Paderborn/Weimar. Anfang Januar 2024 reisten 43 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Schloß Neuhaus, Paderborn, nach Weimar.
In Museen, Stadtführungen und einem Besuch der Gedenkstätte Buchenwald lernten die Schülerinnen und Schüler die vielseitige und in Teilen ambivalente Geschichte Weimars kennen. Finanziell unterstützt wurde die Reise durch eine zweckgebundene Spende, die der Kreisverband Paderborn des Volksbundes eingeworben hat. Den Reisebericht der Schule lesen Sie hier:
„Um 6:45 Uhr, am Mittwoch, dem 08. Januar 2025, brachen die jeweils zwei Geschichts- und Deutschleistungskurse des Gymnasiums Schloß Neuhaus von Schloß Neuhaus (Paderborn) in Richtung Weimar auf. Den historischen Auftakt für die Geschichtsleistungskurse stellte der Besuch des Weimarer Stadtmuseums dar, in dem sich derzeit die Ausstellung „Demokratie aus Weimar. Die Nationalversammlung 1919“ befindet. Dabei widmet sie sich dem Prozess der Entstehung der ersten deutschen demokratischen Verfassung. Auf einem großen Banner waren hier unter anderem berühmte Abgeordnete der jeweiligen Parteien abgebildet, darunter Ernst Thälmann, der von 1924-1933 Abgeordneter im Reichstag war sowie Vorsitzender der KPD (1925-1933). Dies sollte nicht das letzte Mal sein, dass die Gruppe dieser Person und der Erinnerung an sie begegnete, denn Thälmann wurde 1944 in das KZ Buchenwald gebracht und von SS-Männern erschossen. Es ist gerade diese Klammer, zwischen demokratischem Aufbruch und der systematischen Verfolgung und Ermordung von Menschen, etwa politisch Andersdenkender, welche die Ambivalenz Weimars aufzuzeigen vermag und stellvertretend für die deutsche Geschichte steht. Parallel besuchten die Deutschleistungskurse das Schillerwohnhaus (Museum) und beleuchteten das Leben und das Werk Schillers. Hieran schloss sich ein geführter Stadtrundgang über Schiller und Goethe an, welche nicht für sich, sondern für eine ganze Ära, den deutschen Humanismus und vor allem für Weimar an sich stehen. Wenngleich die Geschichte Weimars gewisse Ambivalenzen in sich birgt, so sind Goethe und Schiller wohl ihre Kontinuitäten. Die Geschichtsleistungskurse nahmen derweil an einer Stadtführung zu „Weimar im Nationalsozialismus“ teil und erfuhren viel über das Wirken der Nationalsozialisten in Weimar. Der Besuch des ehemaligen Gauforums war für die Kurse insofern besonders spannend, als dass eine Hitler-Rede von 1938, die im Unterricht behandelt wurde, an ebendiesem Ort stattfand. Auch wenn vieles aus der Zeit des Nationalsozialismus kaum begreifbar ist, so wurde dies hier zumindest etwas greifbarer.
Der erste Tag wurde dann mit dem gemeinsamen Besuch einer Dürrenmatt-Inszenierung – „Der Besuch der alten Dame“ – des Ensembles des Weimarer Nationaltheaters beendet. Diese fand auf Grund von Bauarbeiten nicht im Nationaltheater statt, sondern in der „Redoute“, welche als ehemaliges „Haus der Offiziere“ zu DDR-Zeiten das Führungspersonal der sowjetischen Gardearmee beherbergte und als Kulturhaus, Theater, Kino, Versammlungsort und Gaststätte diente. Dass die Gruppe in jenem Gebäude saß, zeigte Weimar erneut im Spannungsfeld zwischen Kontinuitäten, Wandel und Ambivalenzen.
Im Kontrast zu der gelungenen Inszenierung des Vorabends als Abendausklang, stand am nächsten Tag der Besuch der Gegenstätte Buchenwald auf dem Programm. Ein Ort, der das dunkelste Kapitel der Weimarer Geschichte und Deutschlands repräsentiert. Obwohl die Existenz des Ortes bereits in vielerlei Hinsicht für sich spricht und im Gegensatz zu Goethe und Schiller die Inversion der „Kultur“ zur „Unkultur“ darstellt, konnte die Gruppe durch die Führungen zweier Mitarbeiter der Gedenkstätte vieles dazulernen, vielmehr noch begreifen. Das Unbegreifbare begreifbarer zu machen, ist eine schwere Aufgabe, doch der Besuch der Gedenkstätte konnte hierzu einen großen Beitrag leisten. Die Schülerinnen und Schüler lernten hier nicht nur – exemplarisch – das KZ-System kennen, sondern lernten vor allem, dass dieses System das Produkt menschlicher Handlungen – Verbrechen – war. In besonders negativer Erinnerung ist der durch den Lagerkommandant Koch errichtete Zoo geblieben. 1938 wurde dieser unmittelbar neben dem Lagerzaun als „Freizeitvergnügen“ der SS errichtet und steht dabei sinnbildlich für die Unmenschlichkeit des Lagers und des Regimes. Dass es den gefangenen Tieren besser ging als den gefangenen Menschen, die Gefangenen mit Tieren gleichstellt wurden, sorgte für viel Gesprächsbedarf. Und obwohl der Zoo eigentlich in der Peripherie des Lagers stand, so war er an diesem Tag doch irgendwie zentral, weil er für all das Stand, was passieren kann, wenn Menschen anfangen, anderen Menschen das Menschsein abzuerkennen. Dass nicht unweit des Zoos das „Krematorium“ steht, komplettierte diese Erkenntnis dann. Dass der Zoo in Zusammenarbeit mit dem Leipziger Zoo entstand und die Öfen des „Krematoriums“ von der Firma Topf & Söhne erbaut wurden, zeigte dabei, wie bereits an anderen Stellen der Führung davor erkennbar, etwa im Wissen um das Lager seitens der Weimarer Bevölkerung, dass die Zivilgesellschaft durchaus in das KZ-System involviert war. In dem Krematorium – einem Ort der Stille – wurde das „Systematische“ am Massenmord in grausamer Weise ersichtlich. Auf der Rückseite des Krematoriums fanden die Schülerinnen und Schüler dann die 1958 angebrachte Gedenktafel für Ernst Thälmann wieder, der 1944 in ebendiesem Gebäude ermordet wurde.
Der Arrestzellenbau, in dem Personen in Einzelhaft kamen und umkamen, der „Caracho-Weg“, auf dem die Häftlinge ins Lager kamen und in Teilen willkürlich zu Tode geprügelt wurden und der Appellplatz, führten der Gruppe vor Augen, wie brutal und willkürlich die Behandlung der Häftlinge war. Die Geschichte des dreijährigen Jungen Stefan Jerzy Zweig, der als Sohn einer polnisch-jüdischen Familie als „politsicher Gefangener“ in das Lager kam, berührte viele, aber ließ die Gruppe gleichsam in einer Mischung aus Trauer, Unverständnis und Wut zurück und enttarnte den Nationalsozialismus und seine Täter erneut als das, was er/sie war(en) – unmenschlich.
Nach dem Besuch der Gedenkstätte ging es durchaus nachdenklich zurück nach Schloß Neuhaus. Die Stadt Weimar steht mit ihrer Geschichte irgendwo zwischen Humanismus (Goethe und Schiller) und der Negation der Humanität (Buchenwald und der Nationalsozialismus). Dass dieser Kontrast an einem Ort koexistiert, liegt nicht an dem Ort, sondern daran, dass die größten Errungenschaften und die größten Gräueltaten auf menschlichen Handlungen basieren. Wie wir Leben und wie Weimar morgen, übermorgen oder in 100 Jahren aussieht, liegt genau heute an uns.
Wir danken dem Volksbund für die finanzielle Unterstützung der Fahrt, ohne die für viele Schülerinnen und Schüler eine Teilnahme nicht erschwinglich gewesen wäre.“
Text und Fotos: Gymnasium Schloß Neuhaus